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Buchwert! Wirklich?

 

Unter Analysten spielt der Buchwert einer Aktie kaum noch eine wirklich bedeutende Rolle. Warum? Der Buchwert drückt eine nach hinten gerichteten Blick auf ein Unternehmen aus. Nach hinten, weil es einen Wert zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit ausdrückt. Zu dem Zeitpunkt war nach den Maßstäben ordnungsgemäßer Buchführung und Abschreibung ein Wertgegenstand in der Bilanz einer Firma den Betrag X wert. Das sagt nichts darüber aus, ob der Gegenstand auch für den Wert verkauft werden könnte (das wäre dann der Liquidations­wert). Aber es ist unter normalen Umständen ein ziemlich konservativer Wertansatz, da keine Phantasie der Zukunft Einfluss nimmt auf den ermittelten Wert. Viele Analysten betrachten den Buchwert also häufig als die untere Grenze dessen, was für ein funktio­nierendes Unternehmen als Wert angenommen werden kann.

 

Wie der Economist („Despondent Dax“ Economist May 2, 2020) ausführt, wird der gesamte DAX, der Index der 30 größten (und gemein­hin betrachtet als die erfolgreichsten) Firmen Deutschlands mit einem Schnaps über Buchwert gehandelt (zum Zeitpunkt der größten Verunsicherung über die Härte, mit der die Corona Pandemie die Märkte trifft, ca. Mitte März, lag der Wert sogar signifikant unter Buchwert). Signifikant unter Buchwert handelt die Deutsche Lufthansa Aktie auch nach­dem der Markt sich im April deutlich erholt hat. Was nützt es, wenn die modernen und gut gewarteten Flugzeuge, die Lufthansa in einer konservativen Herangehensweise selbst auf der Bilanz hat (statt sie zu leasen), in Spanien oder Frankfurt auf unterausgelasteten Start­bahnen von Flughäfen rumstehen.

 

Es gibt in den USA einzelne Firmen, deren Markkapitalisierung mehr Wert darstellt, als alle unsere 30 DAX-Firmen zusammen. Diese haben meist etwas mit der Digitalisierung und der Bewältigung mit den Herausforderungen zu Corona-Zeiten zu tun (Microsoft, Amazon …). Lediglich SAP und Wirecard sind DAX-Werte, die sich vornehmlich in der digitalen Welt tummeln. Die meisten anderen unserer Vorzeigeunternehmen fertigen sehr gute Produkte. Und darauf können wir stolz sein. Aber der Markt sagt uns unzweifelhaft: So gut wir auch diese Produkte bauen, so effizient wir auch die Supply Chains ausgedacht haben, um erfolgreich Produkte mit deutschem Ingenieurwissen herstellen zu lassen – das ist nicht die Zukunft. Die Zukunft ist Zugang zu unseren Daten, zu den Daten derjenigen, die unsere Produkte nutzen, um mehr über das Nutzerverhalten derjenigen zu erfahren, die diese Produkte einsetzen (sie müssen sie noch nicht einmal besitzen – auch ein shared car sagt viel über die Nutzer, wenn ich die Daten sauber tracken kann).

 

So unglamourös es auch sein mag: der global agierende Aktienmarkt sagt uns gerade deutlich, was von den Zukunftsaussichten unserer DAX-Unternehmen zu halten ist. Wir laufen Gefahr, yesterday’s news zu sein, rückwärts betrachtet mal etwas geleistet zu haben, was wir in Wertgegenständen, die sich auf der Bilanz unserer Firmen befinden, angelegt haben. Dessen müssen wir uns bewusstwerden und uns etwas einfallen lassen, wie wir uns schnell da wieder herausarbeiten. Richtung Digitaler Zukunft, Richtung nachhaltigem Wirtschaften.

 

Am Tag genau 75 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges (Kapitulation der deutschen Wehrmacht – VE day) sollten wir Kraft ziehen aus der Tatsache, dass keiner vor 75 Jahren eine Wette darauf eingegangen wäre, Deutschland mal unter den führenden Wirtschafts­mächte der Welt zu sehen. Momentan setzen offensichtlich nur wenige eine Wette darauf, dass unsere Unternehmen in der digitalen Zukunft der Wirtschaft eine wichtige und profitable Rolle spielen werden. Und für nachhaltiges Wirtschaften werden an der Börse noch keine Pokale vergeben – das kann sich aber ändern, siehe Aussagen von Blackrock CEO Larry Fink zum Jahreswechsel 2020.  Die Voraussetzungen dafür, letzteres zu schaffen, erscheinen aber deutlich besser, als die Voraussetzungen für ersteres damals erschienen. Wir müssen uns nur schleunigst darauf besinnen und daran arbeiten, nicht nach Corona-Handreichungen des Bundes betteln, um den Status Quo zu erhalten. Frans Timmermanns, EU Kommissar hat dazu heute sehr passende Worte gefunden:

 

„Wenn wir aus dieser Krise herauskommen wollen, dann müssen wir viel, viel investieren. Das wird auch zu mehr Schulden führen. Wer wird denn diese Schulden tragen? Das sind doch unsere Kinder und Enkelkinder. Was für eine Welt bieten wir dann unseren Kindern und Enkelkindern an, wenn wir sagen: Wir bekommen extra Schulden, aber keine saubere Welt und keine ökologisch verantwortliche Politik? Das ist doch nicht vermittelbar. Man kann das doch nicht unseren Kindern zumuten zu sagen: Okay, wir werden investieren. Das führt zu mehr Schulden. Aber die Investitionen gehen in die alte Wirtschaft. Das werden unsere Kinder nicht akzeptieren. Unsere Mittel werden wegen der Corona-Krise beschränkt sein. Wir können diese Euros nur einmal ausgeben. Deshalb haben wir der kommenden Generation gegenüber die Verantwortung, dass wir nachhaltig investieren.“

 

 

Quellen:

 

https://www.blackrock.com/corporate/investor-relations/larry-fink-ceo-letter

https://www.tagesschau.de/ausland/timmermans-greendeal-101.html

https://www.economist.com/finance-and-economics/2019/03/23/why-book-value-has-lost-its-meaning

Ab Mitte August 2023 stehe ich für Projekte, Beratung, Interim-Rollen wieder zur Verfügung. Sprechen Sie mich gerne an - zu meiner Erfahrung, zur Transformierung Ihres Geschäfts (digital oder mental) und wie ich Ihnen dabei helfen kann, Werte zu schaffen und zu bewahren.